Humboldthafenbrücke

Eisenbahnbrücke am Hauptbahnhof Berlin

Maßgeblicher Entwurfsverfasser: Prof. Dr. Jörg Schlaich, Schlaich, Bergermann und Partner, Stuttgart

Die Humboldthafenbrücke, an einer städtebaulich herausragenden Stelle der neuen Mitte Berlins gelegen, ist ein Meilenstein des modernen Eisenbahnbrückenbaus. Sie ist integraler Bestandteil des anschließenden Hauptbahnhofes und überspannt den Humboldthafen mit sechs Gleisen. Dabei bewegt sich das Bauwerk mit seiner außergewöhnlich filigranen Gestalt kontruktionstechnisch an der Grenze des Machbaren.

Die gegenüber herkömmlichen Lösungen mit Betonstützen und Stahlüberbau umgekehrte Konstruktion eröffnet auch ästhetisch neue Wege. Die bei der großen Breite der Brücke bestehende Gefahr einer abweisenden Schattenzone wurde vermieden, weil abweichend von der üblichen Bahnbrückenbauweise der Überbau als vorgespannter Plattenbalken ausgeführt wurde, den ein schlanker Stahlrohrbogen stützt. Die Wasserfläche bleibt dabei in weiten Teilen Licht reflektierend, was die Untersicht des Überbaus zusätzlich aufhellt.

Die Gefahr eines unausgewogenen Verhältnisses von schwerem Betonüber- und leichtem Stahlunterbau ist durch die konkav ausgeformte Randausbildung der Platte überzeugend gebannt. Dies wirkt trotz der aus dem Bahnverkehr abzuleitenden großen Kräfte elegant und filigran.

In puncto Innovationen, die wegweisend für die weitere Entwicklung des Eisenbahnbrückenbaus sein werden, ist der Bauherr Deutsche Bahn AG hier geradezu über sich hinausgewachsen. Hervorzuheben ist der erstmalige Einsatz von Stahlgussknoten dieser Dimension, die sich als technische Alternative zu den bisher üblichen geschweißten Knoten bei der Humboldthafenbrücke bestens bewähren. Diese und die eigens entwickelten Details der Lagerpunkte erreichen die Formvollendung von Stahlbauten aus dem späten 19. und frühen 20. Jahrhundert, die man im modernen Stahlbau lange vermissen musste.

Die von der architektonischen Gestalt vorgegebene transparente Struktur der Brücke wurde auch beim Bauverfahren aufgegriffen. Zwar stand bei diesem technisch innovativen Bauwerk an exponierter Stelle die Wirtschaftlichkeit nicht im Vordergrund, dennoch bietet es in Betrieb und Unterhaltung durch die glatte Stahloberfläche und die durch den Betonüberbau geschützte Stahlkonstruktion durchaus Vorteile. Auch die zunächst hohen Entwicklungskosten der neuartigen Stahlgussknoten haben sich inzwischen bezahlt gemacht. Sie werden bei anderen innovativen Brückenkonstruktionen nachgenutzt.

Mit der Brücke wurde eine hochkomplexe Bauaufgabe exzellent gelöst und bei der Bahn einer neuen Generation von Bauwerken der Weg geebnet.